Remote Work
Author
Laura Bohrer
Date published
20.06.2022
Abends beim Fernsehen einen Anruf vom Chef entgegen nehmen. Die Mails von der Arbeit noch vor dem Aufstehen checken. Die Präsentation für den nächsten Tag fertigstellen, selbst wenn man dafür bis zwei Uhr in der Früh aufbleiben muss… Für viele Arbeitnehmer sind das nur allzu bekannte Situationen. Die einst klar definierten Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen immer mehr.
Die Folge: Die Work-Life-Balance gerät immer mehr ins Ungleichgewicht, und Stress und Burnout sind fast schon an der Tagesordnung. Als Reaktion auf die Zunahme der psychischen Belastung von Arbeitnehmern haben Regierungen und Parlamente auf der ganzen Welt Diskussionen über die Einführung eines sogenannten “Rechts auf Abschalten” angeregt.
Aber was genau bedeutet das Recht auf Offline? In welchen Ländern müssen Arbeitgeber das Recht ihrer Angestellten, nach Arbeitsschluss nicht erreichbar zu sein, respektieren? Und was bedeutet offline gehen im Zeitalter von Remote Work?
Die Europäische Union sieht im Recht auf Abschalten das Recht eines Arbeitnehmers, außerhalb der Arbeitszeit nicht erreichbar sein zu müssen und entsprechend nicht auf arbeitsbezogene elektronische Kommunikation, wie E-Mails oder andere Nachrichten, zu reagieren. Das Recht auf Nichterreichbarkeit ist somit eine rechtliche Zusicherung für Arbeitnehmer, dass sie nach Ende ihres Arbeitstags offline gehen können.
Im Grunde bedeutet das Recht auf Offline, dass Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit einfach abschalten können, ohne deswegen negative Auswirkungen auf die Bewertung ihrer Arbeitsleistung oder auf ihre Karriere fürchten zu müssen (z. B. ausbleibende Beförderung wegen Nichterreichbarkeit nach Feierabend).
Je nach Gesetzeslage kann es Managern und Vorgesetzten sogar untersagt sein, nach der Arbeitszeit Kontakt mit den Mitarbeitern aufzunehmen. Mit der Einführung eines Rechts auf Abschalten soll eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, die es Arbeitnehmern ermöglicht, bei Feierabend die Arbeit links liegen zu lassen, und so übermäßiger Arbeitsbelastung vorzubeugen.
Expert Talks
Obwohl die ersten rechtlichen Versuche, ein Recht auf Offline einzuführen, bereits vor dem Remote Work Boom unternommen wurden, stellen neuere Gesetzesinitiativen zum Thema vor allem dessen Wichtigkeit für Remote-Mitarbeiter in den Fokus.
Remote Work - in vielen Fällen gleichzusetzen mit dem Homeoffice - erschwert die Trennung von Arbeits- und Privatleben, da beide in denselben Räumlichkeiten stattfinden. Im Gegensatz zu ihren Kollegen im Büro können Remote-Mitarbeiter nicht einfach das Büro verlassen und die Arbeit für den Rest des Tages vergessen, da die Gedanken an die Arbeit ständig präsent sind. Richtiges Abschalten und eine gesunde Work-Life-Balance werden dadurch immer schwieriger - zumal flexible Arbeitszeiten schnell dazu führen können das Gefühl zu haben, mit der Arbeit nie wirklich fertig zu sein.
Hinzu kommt, dass Remote-Mitarbeiter oft denken, ständig erreichbar sein zu müssen. Mit zunehmender Stressbelastung steigt die Gefahr eines Burnouts. Ein Recht auf Nichterreichbarkeit zu schaffen gilt daher als wichtiger Schritt zur Verhinderung von Burnouts bei Telearbeitern, zur Verbesserung ihrer Lebensqualität und zur Förderung der psychischen Gesundheit in Remote Teams.
Remote-Mitarbeiter könnten so gesehen, zumindest theoretisch, am meisten vom Recht auf Abschalten profitieren. Ironischerweise könnten sie aber auch diejenigen sein, für die es am schwierigsten wird, dieses Recht in die Praxis umzusetzen. Ein von der BBC veröffentlichter Artikel spricht von einer potenziellen " inhärenten Unvereinbarkeit von flexiblen Arbeitszeiten und dem Recht auf Offline". In dem Artikel wird argumentiert, dass es vielleicht nicht möglich sei, das Recht auf Nichterreichbarkeit mit der Realität einer zunehmend flexiblen Arbeitswelt zu vereinbaren.
Wenn die Arbeitszeiten von Telearbeitern flexibel sind, wo liegt dann die Grenze, was als Arbeitszeit gilt und was nicht? Ein ähnliches Problem ergibt sich für Unternehmen mit einem weltweit verteilten Team. Wenn die Teammitglieder in verschiedenen Zeitzonen arbeiten, was zählt dann als offizielle Bürozeit? In diesem Fall sind flexible Arbeitszeiten eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter effizient zusammenarbeiten können.
Unify and streamline global payroll
Set up payroll in new locations
Compliantly hire employees in 170+ countries
Pay global teams at low cost
Viele Länder diskutieren darüber, ob sie ein offizielles Recht auf Nichterreichbarkeit für Arbeitnehmer einführen sollen oder nicht. In einigen Ländern ist das Recht auf Offline zwar nicht gesetzlich verankert, wird aber stattdessen über Tarifverträge oder intern über die Unternehmenspolitik umgesetzt - letzteres ist beispielsweise der Fall von BMW und Daimler in Deutschland. Allerdings ist die Zahl der Länder, in denen Arbeitnehmern per Gesetz ein Recht auf Abschalten zugestanden wird, noch sehr gering.
Als Reaktion auf die Pandemie hat das argentinische Parlament ein spezielles Gesetz verabschiedet, das den rechtlichen Rahmen für die Telearbeit umreißt. Als Teil dieses Gesetzes erkannte Argentinien offiziell das Recht auf Nichterreichbarkeit an. Nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen müssen Arbeitgeber in Argentinien darauf verzichten, Arbeitnehmer außerhalb ihrer Arbeitszeit und während der Urlaubszeiten zu kontaktieren. Die Arbeitnehmer haben folglich das Recht, nach Feierabend offline zu gehen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Seit Februar dieses Jahres haben Beamte in Belgien offiziell das Recht, sich nach Dienstschluss von der Arbeit abzumelden. Anrufe, SMS oder E-Mails außerhalb der Arbeitszeit sind jedoch weiterhin unter bestimmten Bedingungen erlaubt, die als "außergewöhnliche und unvorhergesehene Umstände, die ein Handeln erfordern, das nicht bis zur nächsten Arbeitsperiode warten kann" definiert sind. Obwohl das Gesetz derzeit nur für Angestellte des öffentlichen Dienstes gilt, wird bereits über eine Ausweitung der Bestimmungen auf Arbeitnehmer des privaten Sektors diskutiert.
Angesichts der Zunahme der Telearbeit und der zunehmend flexiblen Arbeitsregelungen haben die chilenischen Behörden 2020 im Rahmen eines gesetzlichen Maßnahmenpakets für Remote Work und Homeoffice offiziell ein Recht auf Nichterreichbarkeit eingeführt. Nach den neuen Bestimmungen haben Remote-Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit frei einteilen können, nach Dienstschluss das Recht offline zu gehen. Arbeitgeber sind daher aufgefordert, innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums mindestens 12 Stunden lang keinen Kontakt mit ihren Mitarbeitern aufzunehmen. Auch an Ruhe- und Urlaubstagen soll die Kontaktaufnahme vermieden werden.
Als erstes europäisches Land (und generell als erstes Land der Welt) hat Frankreich 2016 ein offizielles Recht auf Nichterreichbarkeit eingeführt. Nach dem verabschiedeten Gesetz, das auch als "loi El Khomri" bekannt ist, sind Arbeitnehmer nicht mehr verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit auf Anrufe oder E-Mails zu reagieren. Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sind darüber hinaus gezwungen, eine entsprechende Charta auszuarbeiten und die Nutzung digitaler Geräte während der Ruhe- und Urlaubszeiten zu regeln.
In einer ersten öffentlich bekannten Anwendung des neuen Gesetzes musste das britische Schädlingsbekämpfungsunternehmen Rentokil Initial 60.000 Euro an einen ehemaligen Mitarbeiter in Frankreich zahlen, der wegen verlangter ständiger Erreichbarkeit geklagt hatte. Das Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof Frankreichs gefällt.
In dem Versuch, einen rechtlichen Rahmen für die Telearbeit zu schaffen, hat Griechenland 2021 ein neues Gesetz eingeführt, das Remote-Mitarbeitern offiziell ein Recht auf Abschalten einräumt. Nach den neu eingeführten Vorschriften sind Arbeitgeber außerdem verpflichtet, ein elektronisches System zur Überwachung der Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter einzurichten.
Seit dem 7. April 2021 gilt in Irland eine neuer rechtlicher Rahmen für Remote Work, der auch ein Recht auf Nichterreichbarkeit vorsieht. Unter den neuen Regelungen sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeiten erreichbar zu sein, und müssen ihrerseits auch das Recht auf Offline ihrer Kollegen respektieren. Obwohl sich das Gesetz in erster Linie an Telearbeiter richtet, gelten die Vorschriften auch für Büroangestellte. Was das Gesetz jedoch nicht festlegt, ist die rechtliche Bedeutung dessen, was als normale Arbeitszeit gelten soll.
Neu an dem von Irland gewählten Ansatz ist die Tatsache, dass er auch Leitlinien für das Arbeiten über verschiedene Zeitzonen hinweg einführt. Internationale Unternehmen werden aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen um sicherzustellen, dass Mitarbeiter, die an internationalen Geschäftsprozessen beteiligt sind, E-Mails nur während ihrer eigenen Arbeitszeit beantworten müssen.
Italien war nach Frankreich das zweite europäische Land, das ein offizielles Recht auf Abschalten einführte. Das Gesetz Nr. 81 vom 22. Mai 2017 schreibt vor, dass Arbeitgeber für Arbeitnehmer mit flexiblen Arbeitsregelungen (sogenannte "Smart Worker") eine schriftliche Vereinbarung aufsetzen müssen, in der ihr Recht auf Nichterreichbarkeit und die Regeln für Ruhe- und Arbeitszeiten dargelegt werden.
Ontario ist die erste kanadische Provinz, die ein Gesetz erlassen hat, das Arbeitnehmern das Recht auf Nichterreichbarkeit einräumt. Das Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten. Letztere sind demnach verpflichtet, interne Richtlinien zu entwickeln, wie das Abschalten nach Feierabend gewährleistet werden kann. Das Gesetz überlässt es jedoch den Unternehmen, wie sie das Thema angehen und was sie in ihre internen Richtlinien aufnehmen, solange die Erwartungen an die Mitarbeiter klar kommuniziert werden.
Seit November letzten Jahres riskieren Arbeitgeber mit Angestellten in Portugal Geldstrafen, wenn sie ihre Mitarbeiter nach Arbeitsschluss per SMS, Anruf oder E-Mail kontaktieren. Das neue Recht auf Nichterreichbarkeit gilt sowohl für Beschäftigte im Büro als auch für Telearbeiter. Nach den neuen gesetzlichen Beschränkungen wird die Kontaktaufnahme mit einem Arbeitnehmer nach Feierabend als Verletzung seiner Privatsphäre betrachtet. Das Kontaktverbot gilt jedoch nicht in Situationen höherer Gewalt.
Anfang 2021 hat die Slowakei ihr Arbeitsgesetz geändert und mehrere neue Parameter für Remote Work eingeführt. Eine der rechtlichen Änderungen, die in diesem Zuge eingeführt wurde, ist das Recht auf Abschalten. Remote-Mitarbeiter können sich nun weigern, während bestimmter Stunden des Tages (oder der Woche) erreichbar zu sein, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
2018 folgte Spanien den Beispielen Frankreichs und Italiens und führte im Rahmen seines Gesetzes über Datenschutz und digitale Rechte ein separates Recht auf Abschalten ein. Das Gesetz gilt sowohl für Beschäftigte im Büro als auch für Telearbeiter. Um sicherzustellen, dass die Ruhezeiten und die Privatsphäre der Mitarbeiter respektiert werden, müssen die Arbeitgeber interne Richtlinien entwickeln, die festlegen, wie das Recht auf Abschalten in der Organisation ausgeübt werden soll. Allerdings sieht das Gesetz derzeit keine Strafen bei Nichteinhaltung vor.
Da immer mehr Menschen nicht mehr vom Büro aus arbeiten, wird die Einführung eines Rechts auf Nichterreichbarkeit für Remote-Mitarbeiter in vielen Ländern der Welt heiß diskutiert. Entsprechende Gesetzgebungsvorschläge wurden unter anderem in den Niederlanden, Luxemburg und Malta gemacht.
Darüber hinaus hat das Europäische Parlament die Einführung einer EU-Richtlinie gefordert, um das Recht auf Nichterreichbarkeit zu einem Grundrecht in allen Mitgliedsstaaten der EU zu machen. Es wird erwartet, dass die Europäische Kommission tätig wird und den Empfehlungen des Parlaments folgt. Sollten die Empfehlungen in Kraft treten, könnten Arbeitgeber bald verpflichtet sein, Systeme zum Tracken der Arbeitszeiten einzuführen, spezifische Informationen über das Recht auf Nichterreichbarkeit bereitzustellen und Arbeitnehmer für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Arbeit zu entschädigen.
In den Vereinigten Staaten, auf den Philippinen, in Kanada und in Indien sind gesetzliche Versuche, das Recht auf Abschalten offiziell zu verankern, bisher ohne Erfolg geblieben, was aber nicht bedeutet, dass sich die Dinge in Zukunft nicht ändern können.
Zu wissen, ob es örtliche Gesetze gibt, die es Ihnen (als Arbeitgeber) verbieten, Ihre Mitarbeiter außerhalb der Arbeitszeit zu kontaktieren, ist nur eine von vielen Gesetzesvorschriften, die Sie beim Einstellen von Remote-Mitarbeitern im Ausland beachten müssen. Wenn Sie die Mitglieder Ihres globalen Teams mit einem Employer of Record einstellen, ist die Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Vorschriften gewährleistet. Erfahren Sie mehr darüber, wie Lano Ihnen beim Einstellen von Remote-Mitarbeitern helfen kann, und buchen Sie eine Demo, um unsere Plattform in Aktion zu erleben.
WRITTEN BY
Melden Sie sich für unseren monatlichen Newsletter an und erhalten Sie regelmäßig Informationen über neue Produkte, Integrationen und Partner. Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserem Blog, Podcast, Branchennews und vielen weiteren Ressourcen.
© Lano Software GmbH 2024
English
Français
Deutsch
Español